Dieser Gedanke von Mark Rashid begleitet mich schon lange: dass viele Menschen keinen Druck geben wollen, weil sie gelernt haben, dass Druck etwas Hartes oder Unangenehmes ist. Etwas, das leicht kippt. Etwas, das mit Ärger oder Kontrolle verbunden sein kann. Und genau deshalb entsteht dieses vorsichtige Zögern, das viele kennen. Man möchte etwas sagen, man möchte führen – und gleichzeitig zieht sich etwas im eigenen Körper zusammen, weil man Angst hat, in einen Ton zu fallen, den man selbst nicht mag.
Was mir immer wieder auffällt: Es ist selten der Druck selbst, der schwierig ist. Es ist der emotionale Hintergrund, der ihn verfärbt. Und diese Färbung spüren Pferde sofort, lange bevor sie überhaupt verstehen können, was wir wollen. Pferde lesen unseren Körper, unseren Atem, unsere innere Spannung. Sie orientieren sich an dem, was zwischen den Worten passiert. Und genau dort entsteht oft die Verwirrung – oder die Klarheit.
Wenn wir innerlich ruhig sind, fühlen Pferde sich sicher. Wenn wir angespannt sind, spüren sie das, auch wenn wir uns bemühen, langsam oder vorsichtig zu sein. Für Pferde zählt nicht, wie sanft eine Bewegung aussieht, sondern wie ruhig sie sich anfühlt. Und genau da liegt der Knackpunkt: Viele von uns verbinden Druck nicht mit Ruhe, sondern mit einem inneren Ort, den wir lieber vermeiden würden. Vielleicht, weil wir es früher so erlebt haben. Vielleicht, weil alte Muster noch im Körper stecken. Vielleicht einfach, weil wir Angst haben, etwas falsch zu machen.
Diese Unsicherheit zeigt sich dann oft als übervorsichtiges Handeln. Man wird so weich, dass keine Richtung mehr entsteht. Nicht, weil man achtsam sein möchte, sondern weil man sich selbst zurückhält. Und damit wird der Kontakt zum Pferd nicht leichter, sondern eigentlich schwieriger, weil die Orientierung fehlt. Pferde brauchen keine Perfektion. Sie brauchen Verlässlichkeit. Und Verlässlichkeit entsteht dort, wo jemand innerlich klar ist – nicht dort, wo jemand versucht, nichts falsch zu machen.
Genau hier setzt Rashids Gedanke an. Es geht nicht darum, Druck zu vermeiden oder zu dosieren wie eine Zahl auf einem Messgerät. Es geht darum, ihn aus einem Zustand heraus zu geben, der ruhig ist. Ein Zustand, in dem keine Geschichte mitläuft. Keine alte Anspannung. Kein innerer Widerstand. Druck wird dadurch nicht zu etwas „Feinem“ oder „Symbolischem“. Er bleibt das, was er ist: ein Teil der Kommunikation. Nur ohne zusätzliche Emotion.
Für mich ist das der Moment, in dem sich unterwegs mit Pferden am meisten verändert. Auf einem langen Ritt, in einer neuen Umgebung oder einfach im Alltag: Sobald man innerlich ankommt und klar wird, reagieren Pferde anders. Nicht, weil man weniger macht. Und nicht, weil man mehr macht. Sondern weil man es aus einem anderen Zustand heraus macht. Ein Zustand, der nicht gegen sich selbst arbeitet. Ein Zustand, der nicht angestrengt ist. Ein Zustand, der nicht versucht, etwas zu vermeiden.
Druck wird dann nicht zu einem „kleinen Impuls“, sondern zu einer klaren Handlung, die nicht mehr aufgeladen ist. Wenn man beispielsweise die Hand schliesst, den Körper ausrichtet oder etwas mehr Präsenz in die eigene Bewegung bringt, dann ist das keine Drohung, kein Test und kein Kommentar, sondern einfach eine Richtung. Eine Entscheidung. Etwas, das nicht hängen bleibt, sondern weiterfliesst, sobald das Pferd sich orientiert.
Und genau so erleben es Pferde auch: Sie spüren, ob etwas klar gemeint ist oder unsicher. Sie spüren, ob wir im Moment sind oder in unserem Kopf. Sie spüren, ob Druck etwas mit ihnen zu tun hat – oder mit uns.
Was mir daran so wichtig erscheint, ist die Verbindung zum eigenen Nervensystem. Yoga und das bewusste Arbeiten mit dem Körper haben mir gezeigt, wie sehr unsere innere Ruhe oder Unruhe jedes kleine Detail verändert. Wenn wir angespannt sind, wird jede Kleinigkeit schwer. Wenn wir ruhig sind, lösen sich viele Dinge von alleine. Und beim Reiten ist es genau gleich. Nicht, weil Pferde „sensibel“ sind, sondern weil sie ehrlich sind. Sie spiegeln, was da ist – nicht, was wir gerne hätten.
Am Ende geht es für mich nicht darum, Druck schönzureden oder zu vermeiden. Es geht darum, ihn so zu verwenden, dass weder Mensch noch Pferd das Gefühl haben, man müsse sich schützen. Druck ist ein Teil des Dialogs. Aber der Ton dahinter entscheidet, ob dieser Dialog anstrengend wird oder natürlich bleibt.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr merke ich, dass es oft gar nicht ums Reiten geht. Es geht darum, wie wir Entscheidungen treffen. Wie wir führen. Wie wir Grenzen setzen. Wie wir präsent bleiben, ohne hart zu werden. Und wie wir uns erlauben, klar zu sein, ohne in alte Muster zu rutschen.
Vielleicht ist das am Ende der Punkt: Klarheit entsteht nicht durch Technik, sondern durch innere Ruhe. Und wenn Druck nicht mehr mit Spannung verbunden ist, sondern mit Präsenz, dann verändert sich die ganze Beziehung – ohne dass man grosse Worte darüber verliert.

