Reiten und Yoga als Weg zur inneren Heilung

Reiten und Yoga können mehr verändern, als man von aussen sieht. Es ist nicht nur Bewegung, nicht nur Entspannung oder Zeit in der Natur. Es sind zwei Wege, die uns lehren, wieder zu spüren. Sie bringen uns zurück in den Körper, dorthin, wo jede Form von Heilung beginnt.

Viele Menschen merken erst im Sattel oder auf der Matte, wie viel Spannung sie mit sich tragen. Wie sehr der Atem flach geworden ist, wie automatisch sie funktionieren, ohne sich selbst wahrzunehmen. Im Zusammenspiel mit einem Pferd oder im stillen Atemrhythmus einer Yogastunde zeigt sich das, was lange übergangen wurde – und genau darin liegt die Kraft dieser beiden Praktiken.

Gabor Maté beschreibt in When the Body Says No, dass Krankheit oft dort entsteht, wo wir uns selbst verlassen. Wo wir Gefühle abspalten, um weiter zu funktionieren. Wo wir nicht mehr spüren dürfen, was uns eigentlich schmerzt. Der Körper aber vergisst nichts. Er trägt das Unausgesprochene weiter, bis er irgendwann spricht – über Müdigkeit, Verspannung, Entzündung oder innere Leere.

Reiten und Yoga sind kein Ersatz für Therapie. Aber sie schaffen einen Erfahrungsraum, in dem das, was im Inneren feststeckt, wieder in Bewegung kommen darf. Beim Reiten entsteht Verbindung nicht durch Kontrolle, sondern durch Präsenz. Ein Pferd folgt keinem Menschen, der sich selbst nicht spürt. Es reagiert auf den Zustand unseres Nervensystems – auf Druck, Anspannung, Unruhe oder Vertrauen. Wenn wir reiten, lernen wir, diesen inneren Zustand wahrzunehmen und zu regulieren. Wir atmen tiefer, werden klarer, ruhiger. Studien zeigen, dass sich Herzrhythmen von Mensch und Pferd angleichen können, wenn Vertrauen entsteht. Das Nervensystem findet über diese Co-Regulation zurück in Balance.

Im Yoga passiert Ähnliches. Die Bewegung öffnet Räume, der Atem bringt Bewusstsein dorthin, wo Spannung sitzt. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass regelmässige Yogapraxis die Aktivität des Parasympathikus stärkt, Stresshormone reduziert und die Herzfrequenzvariabilität verbessert. Der Körper lernt, zwischen Anspannung und Entspannung zu wechseln – etwas, das vielen Menschen nach Jahren des Dauerfunktionierens verloren gegangen ist.

Wir können nicht heilen, ohne zu wissen, was wir wissen, und ohne zu fühlen, was wir fühlen. Dieser Satz beschreibt das Wesen beider Wege. Beim Reiten wie im Yoga geht es nicht darum, etwas zu leisten, sondern ehrlich zu werden. Hinzuspüren, wo wir festhalten, wo wir uns schützen, wo wir weich werden dürfen. Heilung geschieht, wenn wir aufhören, zu verdrängen, und beginnen, wahrzunehmen – mit offenen Augen, ruhigem Atem und einem Körper, der wieder Vertrauen fasst.

Es ist kein lauter Prozess. Oft beginnt er in den kleinen Momenten: ein Atemzug, der tiefer wird. Ein Pferd, das sich entspannt. Eine Bewegung, die leichter wird, weil der Widerstand nachlässt. Heilung heisst nicht, dass alles verschwindet. Es heisst, dass wir wieder bei uns ankommen.

Posted on November 11, 2025 .