Darf ich mein Pferd verkaufen?

Darf ich mein Pferd verkaufen?

Es ist ein Satz, der sich leise ins Herz schleicht. Darf ich mein Pferd verkaufen? Allein das Aussprechen dieser Frage fühlt sich für viele an wie ein Verrat. Und doch ist sie manchmal da – zart, zaghaft, vielleicht nach einem schwierigen Winter, einem verletzenden Sturz, einer Phase voller Zweifel oder schlicht einem veränderten Leben.

Ich habe diese Frage vor einiger Zeit für mich selbst gestellt. Und sie hat mir viel gezeigt – über Verantwortung, über Bindung, über das, was wir unseren Pferden wirklich schuldig sind.

Denn dazwischen liegt so viel. Zwischen jenen, die ihr Pferd um alles in der Welt behalten wollen – weil man das eben so macht, bis zum letzten Atemzug – und jenen, die ein Pferd tauschen wie eine Handtasche, wenn es nicht mehr in die eigenen Pläne passt.

Was fehlt, ist Raum für Zwischentöne.

Ich glaube, wir brauchen mehr Ehrlichkeit in diesem Thema. Mehr Verständnis. Mehr Tiefe. Denn die Entscheidung, ein Pferd abzugeben, ist nie leicht – und doch nicht immer falsch. Was heißt es wirklich, Verantwortung zu übernehmen? Unsere Pferde leben in unserer Welt. Sie sind auf uns angewiesen – auf unser Gespür, unsere Fürsorge, unsere Klarheit. Verantwortung heisst nicht, um jeden Preis zu behalten. Verantwortung heisst, hinzuschauen. Und manchmal auch loszulassen.

Es kann bedeuten, dass du nicht (mehr) die richtige Person für dein Pferd bist. Weil du andere Vorstellungen hast. Weil dein Leben sich verändert hat. Oder weil du merkst, dass dein Pferd in einer anderen Konstellation mehr aufblühen könnte. Und ja – es kann auch bedeuten, dass du dein Pferd mit offenem Herzen weitergibst. Nicht, weil du es weniger liebst. Sondern gerade weil du es liebst.

Die Frage nach dem „guten Platz“

Viele Pferdemenschen tragen diesen Begriff wie ein Versprechen in sich: der gute Platz. Ein Ort, an dem dein Pferd gesehen wird. Geachtet. Gefördert. Und verstanden. Diesen Platz zu suchen – mit Geduld, mit Sorgfalt und mit einem wachen Blick – ist Teil deiner Verantwortung. Es geht nicht darum, loszuwerden. Es geht darum, zu vertrauen: dass es auch andere Menschen gibt, die ein gutes Gegenüber für dein Pferd sein können.

Vielleicht warst du früher täglich im Stall – heute fehlt dir die Zeit, die Kraft, die Ruhe. Vielleicht hattest du einen sportlichen Plan – und dein Pferd zeigt dir, dass es einen anderen Weg gehen will. Vielleicht bist du einfach an einem anderen Punkt in deinem Leben. Und vielleicht passt ihr gerade nicht mehr zusammen. Das ist kein Scheitern. Es ist ehrlich.

Was du vermeiden solltest, ist vorschnell aufzugeben. Es lohnt sich oft, genauer hinzuschauen: Gibt es ein Missverständnis zwischen euch? Braucht dein Pferd eine Pause – oder du selbst? Wäre es hilfreich, dir Unterstützung zu holen?

Aber wenn du über längere Zeit spürst, dass etwas nicht stimmt, dass du nicht mehr gern in den Stall gehst, dass du dauernd zweifelst oder dich überfordert fühlst – dann darfst du diese Frage stellen.

Darf ich mein Pferd verkaufen?

Du darfst.

Wenn du es mit Bedacht tust. Mit Herz. Mit Respekt. Und mit dem Wunsch, dass es euch beiden besser geht.

Ich teile diese Gedanken, weil ich mir wünsche, dass wir offener sprechen – über das, was schwer ist, aber wahr. Vielleicht hilft dir dieser Text, falls du selbst einmal an diesem Punkt stehst. Und vielleicht erinnerst du dich dann: Es geht nicht um richtig oder falsch. Es geht um Fürsorge. Und um Mut.

Wie siehst du das? Ich freue mich, wenn du deine Gedanken teilst.

Posted on July 14, 2025 .