Manchmal merken wir es kaum. Wir sitzen am Laptop, beantworten gerade eine E-Mail, da ploppt eine Nachricht auf dem Handy auf. Gleichzeitig läuft Musik im Hintergrund, draussen redet jemand laut, ein Kollege stellt eine Frage. Und plötzlich wissen wir nicht mehr, was wir eigentlich gerade machen wollten. Unser Geist springt. Immer und immer wieder. Wie ein scheues Pferd, das sich nicht führen lässt, weil alles gleichzeitig nach Aufmerksamkeit ruft.
Ein solcher Zustand hat einen Namen: scattered mind. Ein zerstreuter Geist, der sich in alle Richtungen bewegt, aber nirgendwo wirklich ankommt. Und das kostet. Nicht nur Zeit, sondern auch Kraft, Klarheit, Präsenz – und letztlich das Gefühl, das eigene Leben wirklich zu gestalten.
Fokus hingegen ist wie eine ruhige Hand am Zügel. Es bedeutet, unsere geistige Energie auf eine einzige Sache zu lenken. Und damit die Kraft zu bündeln. Fokus ist nicht einfach ein Produktivitätstool. Fokus ist ein Zustand. Ein inneres Ausgerichtet-Sein. Und vielleicht mehr denn je eine Fähigkeit, die es in unserer überreizten Welt wieder zu üben gilt.
Der amerikanische Autor Cal Newport beschreibt in seinem Buch Digital Minimalism, wie stark unsere Aufmerksamkeit heute fragmentiert ist – durch Apps, Nachrichten, Benachrichtigungen, durch ein permanentes Gefühl, auf dem Sprung sein zu müssen. Er plädiert für bewusste, tiefe Konzentrationsphasen und den Mut, sich zu entziehen. Nicht um weniger zu tun, sondern um das Wesentliche wieder spüren zu können.
Auch in der Arbeit mit Pferden zeigt sich: Fokus ist kein Luxus, sondern die Grundlage für Vertrauen. Wenn ich im Stall stehe und gleichzeitig telefoniere, Nachrichten beantworte und gedanklich schon beim nächsten Termin bin, spürt mein Pferd das. Pferde reagieren nicht auf unsere Worte, sondern auf unseren Zustand. Ein klarer, stiller Fokus schafft Verbindung. Ein flatternder Geist überträgt Unruhe.
Und auf der Yogamatte? Dort lernen wir es jeden Tag neu. Wenn wir in einer Haltung bleiben – mit dem Atem, mit der Wahrnehmung, mit allem, was ist –, spüren wir: Fokus ist nicht Spannung. Fokus ist Präsenz. Es ist dieses feine, wache Dasein, bei dem nichts anderes wichtig ist als dieser Moment. Diese Bewegung. Dieser Atemzug.
Fokus ist lernbar. Wie ein Muskel, den wir trainieren können. Meditation ist eine der wirksamsten Methoden dafür. In der Drei-Punkte-Meditation etwa – die ich für dich erstellt habe – übst du, deine Aufmerksamkeit gezielt zu lenken: auf den Atem, die Geräusche um dich herum, die Empfindungen im Körper. Du lernst, Gedanken zu beobachten, ohne ihnen zu folgen. Und du lernst, wie es sich anfühlt, ganz da zu sein.
Auch im Alltag können kleine Veränderungen helfen:
Nur eine Sache zurzeit: Putze dein Pferd – und nichts anderes. Iss – und lies dabei keine Nachrichten. Antworte auf eine E-Mail – und nicht auf fünf gleichzeitig.
Reduziere Ablenkung: Schalte alle Push-Benachrichtigungen aus. Keine roten Punkte, keine vibrierenden Reminder. Dein Nervensystem wird es dir danken.
Blocke Zeitfenster: Bestimme zwei Zeiten pro Tag, in denen du E-Mails liest oder Social Media nutzt. Der Rest ist offline – und fokussiert.
Räume schaffen: Finde Orte, die Ruhe erlauben. Räume, in denen du ungestört bist. Und mache anderen deutlich: Jetzt ist Fokuszeit.
Es sind keine grossen Schritte. Aber sie verändern etwas. Du wirst schneller fertig mit dem, was du tust. Du fühlst dich präsenter, weniger erschöpft, klarer. Und mit der Zeit kommt etwas zurück, das vielen von uns verloren gegangen ist: die Freude am Tun selbst.
Denn da, wo Fokus ist, entsteht Tiefe. Und wo Tiefe ist, entsteht Sinn.
Die Drei-Punkte-Meditation habe ich für dich erstellt – du kannst sie dir hier holen >>
Das Buch Digital Minimalism von Cal Newport