Bei mir ist die Energie am Morgen am grössten. Ich denke klarer, habe Kraft, Dinge umzusetzen, die mir wichtig sind. Dazu habe ich schon einmal einen Text geschrieben – lies gern auch meinen Blogpost Zwischen Klarheit und Kaffee, Gedanken über Morgenroutinen. Und trotzdem ertappe ich mich oft dabei, dass ich am liebsten trödeln würde. Ein bisschen durch Instagram scrollen, ein wenig herumsurfen, mich ablenken lassen. Doch ich weiss: genau diese ersten Stunden sind entscheidend. Wenn ich sie verschwende, ist die Energie für den ganzen Tag anders – zerstreut, brüchig, irgendwie kaputt.
Deshalb beginne ich inzwischen bewusst mit dem, was mir am schwersten fällt. Das neue Programm, das endlich geplant werden will. Eine Aufgabe in der Buchhaltung, die nicht warten kann. Oder die Überlegung, wie ich jemanden neu einarbeite. Gerade am Morgen, wenn mein Kopf am klarsten ist, widme ich mich diesen Dingen. Es fühlt sich an wie ein Berg, den ich besteige, noch bevor der Tag richtig begonnen hat – und genau dadurch wird der Rest des Tages leichter.
Ich habe einmal einen Text gelesen, der „Swallow the Frog“ hiess. Mark Twain soll gesagt haben, wenn man einen Frosch essen müsse, solle man das gleich am Morgen tun. Gemeint ist: die unangenehmste, wichtigste Aufgabe zuerst. Danach kann nichts Schlimmeres mehr kommen, und der Rest des Tages liegt freier vor dir.
Leo Babauta spricht in seinem Blog Zen Habits von den MITs, den most important tasks. Er empfiehlt, sich jeden Abend drei dieser Aufgaben zu notieren. Drei Dinge, die dich deinem Ziel wirklich näherbringen. Vielleicht ist es der Lauf am Morgen, weil du fitter werden willst. Vielleicht der nächste Schritt in einem Projekt. Vielleicht ein Telefonat, das du schon lange vor dir herschiebst. Es sind selten die Dinge, auf die man Lust hat, aber es sind die, die dich wachsen lassen.
Die Psychologie bestätigt das. Willenskraft ist keine unerschöpfliche Ressource. Roy Baumeister hat dafür den Begriff ego depletion geprägt: je mehr Entscheidungen wir im Laufe des Tages treffen, desto erschöpfter wird unsere innere Kraft, schwierige Aufgaben anzupacken. Am Morgen sind die Reserven noch gefüllt. Wer diese Zeit für das Wesentliche nutzt, baut eine Struktur, die trägt.
Es geht weniger um Motivation als um Systeme. James Clear beschreibt in Atomic Habits, dass wir nicht auf das Level unserer Ziele steigen, sondern auf das Level unserer Gewohnheiten fallen. Wenn es zur Routine wird, den Tag mit dem Wichtigsten zu beginnen, ist kein ständiger Kraftakt mehr nötig. Es wird zum selbstverständlichen Schritt in den Tag.
Wenn du es ausprobierst, wirst du merken, wie viel Energie frei wird. Mach dir am Abend eine kurze Liste deiner MITs. Starte den Tag ohne Handy. Nimm die grösste Aufgabe zuerst. Spüre, wie du danach mehr Selbstvertrauen hast, weil du dich selbst nicht im Stich gelassen hast. Spüre, wie viel leichter die kleineren Dinge fallen, wenn das Schwerste schon getan ist.
Für mich ist es zu einem stillen Ritual geworden. Ein Kaffee, ein Moment der Klarheit, und dann der erste Schritt in das, was wirklich zählt. So beginne ich den Tag mit einem Gefühl von Richtung und Stärke. Und am Abend, wenn ich zurückblicke, weiss ich: ich bin weitergekommen. Nicht weil ich alles geschafft habe, sondern weil ich das Wesentliche zuerst getan habe.
Wer tiefer eintauchen möchte, findet Inspiration in diesen Büchern:
Brian Tracy: Eat That Frog!
Leo Babauta: Zen to Done
James Clear: Atomic Habits
Cal Newport: Deep Work
Charles Duhigg: The Power of Habit

